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Wunderschönes Teyvat

„Wo… bin ich?“, fragte ich verwundert mit einem Blick auf meine Umgebung gerichtet. Ich sah riesige Bäume mit blauen Blättern, eine bis zu den Knien hochgewachsene türkisfarbene Wiese und bunte Vögel, die so aussahen wie fliegende Fische... oder doch Wale? Sie glitten über meinem Kopf hinweg und wirkten so groß wie Orkane oder vielleicht sogar noch größer. Ich war beeindruckt und vergaß, dass ich vor ein paar Sekunden noch auf dem Dachboden eines alten Hauses stand mit einem Koffer in den Händen. 

Ich bin umgezogen von Seattle nach Chesterfield, Missouri in den USA, um dort mein Geschichts- und Mythologiestudium zu machen, ohne viel Geld für die Miete zahlen zu müssen, und das Haus, das ich gefunden hatte, war… verdächtig billig, aber ich hatte keine andere Wahl. Nun saß ich hier, irgendwo im Nirgendwo. Vielleicht ein Traum oder vielleicht doch das Leben nach dem Tod. Denn ich erinnerte mich nicht mehr, was noch auf dem Dachboden passiert ist. Ich wusste nur, dass es etwas mit dem Koffer zu tun hatte. Und so sah ich mich um und entdeckte den weinroten, mit ein paar kleinen Edelsteinen verzierten Koffer. Ich nahm ihn in die Hände und legte ihn auf meine Knie. Überraschenderwiese war er leichter als gedacht. Ich war gerade dabei, ihn zu öffnen, als …

„Smyx vidico ram!“, rief ein ‚Etwas‘ aus der Nähe. Ich erschrak wegen der plötzlichen Stimme und fiel mit dem Rücken zu Boden, um dann ein Wesen zu sehen, dass mich mit grauem Gesicht und leuchtend roten Augen anschaute. „Huao shingo drum ta!“, rief es erneut, ohne dass ich irgendeines seiner Worte verstand. „Uh… wie bitte?“, fragte ich, unsicher ob es eine gute Idee war, dem ‚Etwas‘ zu antworten. Es starrte mich mit seinen erstaunten Augen an und sagte schließlich: „Verstehe, du bist also nicht von hier? Bist du von der Menschenwelt? Ihr ähnelt den Elfen also wirklich…“ Ohne weitere Worte fuhren seine Hände durch meine Haare, es betastete meine Arme und knickte meine Finger, bis sie knacksten. „Agh!“, schrie ich vor Schmerz auf, als es ein paar meiner Fingerzu weit nach hinten bog. Ich zog meinen Arm rasch zurück und brüllte es an: „Wolltest du mir den Fingerrausreißen?! Wer bist du überhaupt!“ – „Xavier. Ich heiße Xavier“, antwortete er. Ich schaute ihn kurz verwirrt an, bis ich auch meinen Namen preisgab: „…Aether. Mein Name ist Aether Peers.“

Als ich ihn näher betrachtete, merkte ich, dass seine Haut in der Tat außergewöhnlich grau war. Er hatte spitze Ohren, auf der linken Seite seiner Stirn wuchs ein kleines Horn, seine Haare waren eisblau gefärbt und dazu trug er noch ein Paar Ohrringe, die verschiedene Edelsteine an den Enden hielten. Sein Körperbau war übermäßigmenschlich und er trug auch anständige Kleidung, doch er wirkte zugleich auch wie ein Wesen aus einer verborgenen Mythologie, die mir nicht bekannt war. „Kommst du hoch?“, bot er mir seine Hand an, da ich noch im Gras lag. Ich schlug sie mit der Rückseite meiner Hand weg und stand von selbst auf. „Du bist hier in Teyvat. Eine eigene Welt voller eigener Wesen“, erklärte er mir und griff nach dem Koffer, den ich noch in den Händen hielt. „Hast du etwa vor hier Urlaub zu machen?“ Ich ergriff den Koffer wieder und hielt ihn mit meinen Armen fest umschlungen. „Wie komme ich zurück?“ – „Och komm, du bist doch gerade erst angekommen. Warum bleibst du nicht für eine Weile?“ Ich starrte ihn einfach genervt an, bis er vorschlug zumindest kurz in die Stadt zu gehen. Ich seufzte und gab mit einem Nicken nach. 

Es waren gefühlte Stunden, die wir liefen, doch die Tageszeit schien sich nicht sonderlich zu ändern. Die Gräser waren immer noch hoch und erschwerten es, sich vorwärts zu bewegen. Ich wollte gerade eine Pause vorschlagen, als ich in etwa 100 Meter Entfernung einen Turm entdeckte. Einen Glockenturm. „Wir sind fast da!“, rief mir Xavier zurück, der schon mehrere Meter entfernt vor mir lief.

Wir erreichten das Eingangstor – ein riesiges Steintor, in das unbekannte Zeichen geschnitzt waren. Und dahinter befand sich eine große Menge an... Kreaturen – wie auf einem Marktplatz. Es war laut, viel Gelächter war zu hören, einige Musikanten traten auf den Straßen auf und Verkäufer boten ihre Waren an, aber man nahm auch ein paar Streitigkeiten wahr. Beeindruckt lief ich hinter Xavier her und schaute mich um. Alles kam mir so bekannt vor… vielleicht, weil die Infrastruktur unserer ähnlich wirkte? Ich machte mir dann doch nicht so viele Gedanken darüberund wünschte nur, ich hätte eine Kamera mitgenommen. Vielleicht war eine im Koffer verstaut. Mit dem dummen Gedanken fokussierte ich mich wieder auf den Koffer und wollte ihn öffnen, doch wieder hielt mich etwas davon ab,den Inhalt zu sehen

„Crox magh dem! Shrum de kas!“, brüllte mich eine raue Stimme an. Mein Kopf beugte sich nach oben und ich sah eine Kreatur, die einem Troll aus einem schwedischen Märchen glich. Ein eigentlich hässliches und dummes Wesen… aber auch so furchteinflößend und grob. Ich war so abgelenkt, dass ich nicht bemerkte, dass der Troll versuchte, mich mit seinen riesigen Händen zu ergreifen. Genau in dem Moment zog mich Xavier an dem Kragenmeines Pullovers nach hinten. „Plam ve zhu. Pe tru wuzka?“ – „…Girora acrezia phum.“ Wieder diese unbekannte Sprache… Sie schienen mit ihr zu kommunizieren und der Troll ging dann schließlich weg. „Geht es dir gut? Er hat dir nicht den Arm abgebissen, oder?“, fragte mich Xavier mit einer sowohl besorgten als auch scherzenden Miene. Ich nickte einfach stumpf.

Wir gingen weiter und viele starrten uns bzw. eher mich an, da ich offensichtlich nicht von hier war. Doch ich war beunruhigt, dass das Geschehen von vorhin nochmal passieren könnte… Das bemerkte Xavier. Sofort schlug er vor, in eine nahstehende Taverne namens „Ogh maq shaleh“ oder nach seiner Übersetzung „Die räudige Krähe“ zugehen.

In der Taverne war es laut. Ich vernahm viele Gespräche betrunkener Kreaturen, von denen sich einige hörbar prügelten. Viele der niedergeschlagenen Wesen wurden danach rasch aus der Taverne geschmissen. Mal war es ein Kobold, mal ein Gnom, mal ein Goblin und einmal sogar eine Harpyie. Die armen Kreaturen wurden von den Trollen und Orks ja fast schon auseinandergenommen. Bevor ich aber zu lange starrte und die Biester mich bemerken würden, zog mich Xavier an meinem Arm zu einer einsamen Ecke weiter hinten in der Taverne. „Bleibst du hier? Ich werde mich kurz mit dem Rotschopf an der Bar unterhalten“, gab er mir mit einem Grinsen im Gesicht Bescheid. Dann ging er zum Barkeeper rüber. Nun saß ich da, ganz allein mit meinem Koffer. Dem Koffer,dessen Inhalt mir immer noch unbekannt war. Aus genau dem Grund platzierte ich den Koffer auf den Tisch und starrte ihn kurz an, bis ich die Verriegelung aufklappte und den Koffer langsam, aber auch aufgeregt öffnete.

Darin war… ein altes Buch, ein verrosteter Schlüssel und ein… Stein? Weder Edelstein noch Erz, stattdessen ein einfacher Stein. Meine aufgeregte Miene zog sich etwas nach unten und ich war ein wenig enttäuscht, doch es war janicht der einzige Inhalt des Koffers. Jedoch haben mir die anderen Gegenstände scheinbar auch nichts gebracht, da das Buch in der Sprache Teyvats verfasst war und ich keine Ahnung hatte, wofür man den Schlüssel einsetzte. Miteinem enttäuschten und verwirrten Seufzer lehnte ich mich nach hinten, um nachzudenken, doch plötzlich verspürte ich eine leichte Erschütterung und das Essen, das vorhin noch auf dem Tisch stand, fielherunter. Gläser zersplitterten beim Aufprall und Wein, Bier und sonstige alkoholhaltige Getränke, die die Wesen vor Kurzem noch zu sich genommen haben, flossen in Massen über den Boden. Es schien ein Erdbeben zu sein, dochder Reaktion der Kreaturen zufolge war es keine alltägliche Sache…

Ich schloss meinen Koffer und rannte mit ihm nach draußen, um dann von Weitem einen… ausgewachsenen Barghest zu sehen. Ein Biest aus der englischen Mythologie, dass dem Hund ähnelt, aber viel größer undaggressiver ist. Mit außergewöhnlicher Schnelligkeit rannte es auf die Stadt zu. Büsche, Bäume und sogar kleine Felsen wurden vom Barghest zertrampelt. Er kam immer näher und so bebte auch der Boden immer stärker. Empfindliche Waren fielen runter und zerbrachen. Das taten auch die vielen Blumenkübel auf den Fensterbrettern der Häuser. Einige Leute bemerkten das Biest und Panik brach aus. Alle rannten umher und ich konnte mich noch geradeso zurück in die Taverne retten. In dem Moment rannte Xavier besorgt aus dem Gebäude raus, um mich zu suchen: „Aether! Wo bist du hingerannt?! Wir müssen schnell …“ er drehte sich in meine Richtung um und entdeckte mich. Dabei sah er auch den Barghest in der Ferne, der schon viel näher an der Stadt war als zuvor. Xavier nahm mich grob bei der Hand und rannte in die Richtung, in die die Bewohner liefen. „Da hinten soll es ein sicheres Gebäude geben. Wenn wir uns beeilen, schaffen wir es gerade noch dahin zu kommen, bevor das Biestuns zuerst erreicht!“ Ich versuchte mit seinem außerordentlich schnellen Tempo mitzuhalten, doch mein Blick richtetesich zurück zum Biest und… es schien mich direkt anzuschauen. Blutrünstig-leuchtend-rote Augen starrten mir tiefin die Augen. Meine Umgebung schien zu verstummen und wir starrten uns lange gegenseitig an. Faszinierend.

Diese Atmosphäre löste sich auf, als ich bemerkte, dass ich den Koffer nicht mehr in meiner Hand hielt. Schockiert schaute ich umher, bis ich ihn mehrere Meter von mir entfernt in Richtung Barghest auf dem Boden liegen sah. Ich zögerte zuerst, doch dann löste ich meine Hand aus Xaviers. „Aether!“ Er versuchte sie nochmal zu ergreifen, doch er wurde von der panisch davonlaufenden Menge mitgezerrt. Ich rannte zurück, unsicher ob es eine gute Idee war,dies zu tun, aber… der Koffer schien auf irgendeine Weise wichtig zu sein.

Alle Bewohner, inklusive Xavier, waren schon weg und so kniete ich mich schnell vor dem Koffer auf den Boden. Er war glücklicherweise unbeschädigt. Vielleicht etwas dreckig und ein paar von den kleinen Edelsteinen sind auch abgegangen, aber an sich ging es dem Inhalt gut… hoffte ich. Ich öffnete den Koffer, um sicher zu sein, und den Gegenständen ging es gut.

Plötzlich spürte ich eine gewisse Enge in der Atmosphäre. Genauso wie vorhin fühlte ich mich eingeschüchtert undein Schatten überzog mich. Langsam richtete sich mein Blick nach oben. Dieselben tiefroten Augen schauten michwieder an. Ein riesiges, haariges Biest mit außerordentlich langen Fangzähnen stand direkt vor mir. Meine Atemwege verengten sich, Schweiß lief mir kalt den Rücken runter und wie erstarrt saß ich da. „Ist das… wirklich das Ende eines Collegestudenten …?“, murmelte ich leise vor mich hin, als der Barghest sein großes Maul öffnete.

„Den Stein…! Nimm den Stein!“, brachte mich eine Stimme wieder zur Besinnung. Es war Xavier, der völlig aus der Puste schien. „Nimm den gottverdammten Stein, sonst bist du sein Abendmahl!“ – Bei seinem zweiten Aufruf gehorchte ich und nahm den Stein schnell zur Hand. Im gleichen Moment versuchte das Biest zuzubeißen, doch… die Fangzähne zersplitterten mit einem grellen Klang. Verwundert schaute ich auf den Stein. Er leuchtete. Ein Schild war um mich rum. Ich hinterfragte nichts und hetzte schnell rüber zu Xavier. „Was hast du dir dabei gedacht?! Sind Menschen wirklich so dumm, dass sie …?“ – „Der Stein…! Woher wusstest du davon?“, unterbrach ich ihn. Er verstummte und als er endlich etwas sagen wollte, war eine laute Stimme zu hören:

„Scheiß Köter! Schafft es nicht einmal, einen erbärmlichen Menschen zu fressen! Ugh!“ Die unbekannte, raueStimme kam aus der Richtung des Biests. Ein Wesen, dass aussah wie ein kleiner Teufel, tauchte hinter dem Barghest auf. Ein Imp, der aus irgendwelchen Gründen meine Sprache sprach. „Du musstest doch nur die verdammten Artefakte aufsammeln!“, meckerte er weiterhin. Plötzlich richtete er seinen kalten Blick auf uns. „Dusterblicher Mensch! Du bist an allem schuld!“, beschwerte er sich. Doch dann zeigte er rasch mit dem Finger auf Xavier: „Und was machst du hier? Solltest du nicht unterwegs sein?!?“ Verwirrt stand ich da. Artefakte? …Wieso kannte er Xavier? …Hat das alles vielleicht etwas mit meiner Ankunft in Teyvat zu tun?

 

Fortsetzung folgt…

(…nicht)

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